Emissionshandel / CO2 – Marktbericht vom 22.01.2024

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach wochenlangem Ringen hat der Haushaltsausschuss des Bundestags am Donnerstagabend den Etat für 2024 beschlossen und dabei zum ersten Mal seit 2019 die Schuldenbremse eingehalten. Die Gesamtausgaben sind mit rund 476,8 Milliarden Euro geplant. Der Bundestag soll den Haushalt am 2. Februar endgültig verabschieden. Bekanntlich sollte der Bundeshaushalt längst in trockenen Tüchern sein, doch ein wegweisendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts machte der Regierungskoalition im vergangenen November einen Strich durch die Rechnung. In der Folge mussten Milliardenlöcher im Haushalt und im Klima- und Transformationsfonds (KTF) gestopft werden. Zum Teil schmerzliche Kürzungen und Einsparungen sowie ein Abbau von Subventionen waren unvermeidbar. Zudem wurde die Reduzierung des nationalen CO2-Preises von 45 auf 40 Euro wieder zurückgenommen.

Die größte Herausforderung für die Koalitions-Fraktionen bestand darin, trotz sehr unterschiedlicher Blickwinkel, vor dem Hintergrund multipler Krisen und trotz einer schwierigen Ausgangssituation nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil, einen ausgewogenen Haushalt aufzustellen, welcher Schwerpunkte auf soziale Gerechtigkeit, wirtschaftliche Anreize, Investitionen in Klimaschutz sowie eine Stärkung der Demokratie und des internationalen Zusammenhalts legt.

Dass dies nicht zur Zufriedenheit aller erreicht werden kann, liegt in der Natur der Sache. Auch wenn die deutschen Bauern ihren Protest gegen den stufenweisen Abbau des Agrardiesel-Privilegs offenbar am lautesten artikulieren, müsste doch ein anderes Versäumnis viel deutlicher hervorgehoben werden: die nach wie vor nicht umgesetzte Einführung des im Koalitionsvertrag vereinbarten Klimagelds. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nannte am Mittwoch die Idee hinter dem Klimageld „bestechend“: Der Staat gibt einen erheblichen Teil der Einnahmen aus der nationalen und europäischen CO2-Abgabe in Form von Direktzahlungen an alle Bürgerinnen und Bürger des Landes zurück. Wenn alle den gleichen Betrag erhalten, werden die voraussichtlichen Preissteigerungen für Strom und Wärme vor allem für diejenigen, die wenig verbrauchen, ein Stück weit kompensiert. Sie sind zwar in absoluten Zahlen weniger von Energiepreissteigerungen betroffen, aber in Relation zu ihrem Einkommen belasten sie steigende Benzinpreise und teureres Heizen umso mehr. Wer dagegen beim Konsum, beim Reisen, beim Heizen und beim privaten Strom viel verbraucht, wird durch das Klimageld ungleich weniger entlastet. So entsteht ein Anreiz zum Energiesparen. Gleichzeitig finanzieren die Wohlhabenden das Klimageld der anderen und die Energiewende für alle.

Umso tragischer, dass die Einrichtung eines Auszahlungsmechanismus, bei welchem 82 Millionen potenzielle Inhaber einer steuerlichen Identifikationsnummer mit einer Kontonummer verknüpft werden müssen, bislang noch keine Priorität genoss. Doch offenbar ist in der vergangenen Woche Bewegung in die Sache gekommen, dem Klimaschutz noch rechtzeitig vor der nächsten Bundestagswahl zu mehr Akzeptanz bei den Wählern zu verhelfen. Regierungssprecher Steffen Hebestreit verwies in Berlin auf Aussagen von Finanzminister Christian Lindner, nach denen die technischen Voraussetzungen für eine Pro-Kopf-Auszahlung wohl bis Ende des Jahres geschaffen würden. „Dann muss man im Haushalt entscheiden, woher dieses Geld stammen soll“.

Den Blick auf die Wetterprognosen können sich die Analysten des CO2-Marktes mittlerweile schenken. Wenn Kaltwetterfronten am Horizont auftauchen, sieht man davon beim Preis für EUA so gut wie nichts. Verantwortlich dafür ist unter anderem die fatale Entscheidung der EU Kommission, zur Finanzierung des RePowerEU-Programms Verschmutzungsrechte im Wert von 20 Milliarden Euro vorzeitig zu versteigern – das sogenannte „frontloading“. Doch die Absicht hinter dieser Maßnahme war offensichtlich nicht nur das Erzielen von Mehreinnahmen im ETS, sondern auch eine Preiskorrektur, durch welche die Energiekosten für die Wirtschaft gesenkt würden. So mit EUAs überfrachtet, steuert sich der Markt aber so schwerfällig wie ein Containerfrachter, der tief im Wasser liegt.

Schon im Dezember 2022 haben wir an dieser Stelle gewarnt, dass es nicht Aufgabe des Emissionshandels ist, die Industrie bei den Energiekosten zu entlasten. Das ETS funktioniert vielmehr als Cap-and-Trade-System, das heißt, es basiert auf der Reduzierung der Zertifikatemenge. Und im Programm „Fit for 55“ geht es unter anderem darum, dieses System weiter zu schärfen, um die CO2-Reduktionsziele und damit das 1,5-Grad-Ziel doch noch zu erreichen. Eine Flut von EUAs würde dies konterkarieren und zudem die Marktstabilitätsreserve ad absurdum führen. In jedem Fall ist es widersinnig, die Ziele des ETS auch nur vorübergehend aufzugeben, um dieselben Ziele im Rahmen des RePowerEU-Programms zu finanzieren. Im Gegenteil, billige EUAs machen auch Kohle und Gas billiger und würden die Anstrengungen zum Ausstieg aus diesen Energieträgern bremsen. Wenn also das ETS zur Finanzierung des RePowerEU-Programms beitragen soll, dann ausschließlich im Einklang mit den gemeinsamen Zielen, d.h. durch höhere Preise und damit höhere Einnahmen im ETS.

Nach einem leicht bullishen Start gerieten die Emissionsrechte ab der zweiten Hälfte der abgelaufenen Handelswoche noch stärker unter Druck. So gab der Dez-24-Kontrakt weiter nach und schloss mit EUR 63,65 auf dem Niveau von September 2022. Dies könnte Hedgefonds dazu veranlassen, Short-Positionen aufzulösen, um den Preis nach oben zu treiben, was allerdings noch keine ausgemachte Sache ist. Sollte das aktuelle Preisniveau stattdessen weiter fallen, wäre eine Kurskorrektur durch die EU-Kommission im doppelten Sinne sehr wünschenswert.

  (Durchschnittliche Börsenkurse / OTC)   
Instrument12.01.2419.01.24Veränderung
EUA (Dezember-2024-Future)65,81 EUR63,65 EUR-2,16 EUR
VER (Natural Carbon Offsets)1,81 USD1,27 USD-0,54 USD
VER (CORSIA eligible Carbon Credits)0,74 USD0,66 USD-0,08 USD
nEZ (nationale Emissionszertifikate (D))45,00 EUR45,00 EUR+0,00 EUR
ICE Brent Crude Oil (Benchmark Future)78,13 USD77,88 USD-0,25 USD
EURO (Currency, Forex)1,0949 USD1,0898 USD-0,0051 USD

(EUA, Rohöl und Euro zeigen Börsenschlusskurse. Bei den VER-Kursen handelt es sich um Durchschnittskurse (carboncredits.com), welche im Rahmen von CORSIA und der freiwilligen Kompensation Verwendung finden können. Unsere Marktberichte stellen keine Empfehlung zum Handel von Emissionsrechten oder deren Derivaten dar und dienen ausschließlich der Information. Sollten Sie den Newsletter nicht mehr beziehen wollen, bitten wir um eine kurze Nachricht an den Absender.)

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