Emissionshandel / CO2 – Marktbericht vom 12.12.2022

Sehr geehrte Damen und Herren,

es tut sich zur Zeit viel im Europäischen Emissionshandel. Nachdem das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission im Rahmen des sogenannten Trilogs bereits die als historisch bewertete Einigung darüber erzielt hatten, den Seeverkehr endlich auch ins ETS mit einzubeziehen, wird nun ebenfalls die bereits begonnene Integration der Luftfahrt abgeschlossen. Zwar war die Luftfahrt rechtlich bereits in das ETS einbezogen, jedoch wurde dies durch die Ausgabe kostenloser Zertifikate praktisch wirkungslos. Nun werden diese kostenlosen Zuteilungen schrittweise zurückgefahren. Schifffahrt und Luftverkehr sind zwei äußerst wichtige Sektoren, denn durch ihre Einbeziehung in das Emissionshandelssystem wird ein größeres Maß an Gerechtigkeit erzielt, vor allem aber wird der Anreiz geschaffen, wie in den bereits integrierten Bereichen auch hier in die bestverfügbaren Technologien zu investieren und damit Umweltbelastungen in großem Umfang zurückzufahren. Die Einbeziehung soll in beiden Sektoren schrittweise in den Jahren 2024 bis 2026 erfolgen.

Und in dieser Woche gehen die Trilog-Verhandlungen weiter wobei sie einen höchst sensiblen Punkt berühren werden. In der Sache geht es um das „RePowerEU“ genannte Programm, welches als Antwort auf die durch Putins Aggression heraufbeschworene Energiekrise zu verstehen ist, wie die Europäische Kommission dies auf ihrer Internetseite ausführt: „Die neuen geopolitischen Gegebenheiten und die Lage auf dem Energiemarkt zwingen uns, den Übergang zu sauberer Energie drastisch zu beschleunigen und Europa unabhängiger von unzuverlässigen Energielieferanten und schwankungsanfälligen fossilen Brennstoffen zu machen.“ Mit dieser Zielsetzung ist das Programm also deckungsgleich mit dem ETS, welches ebenfalls die Transformation hin zu einer CO2-neutralen Gesellschaft und Industrie erreichen soll.

Sensibel und für das Emissionshandelssystem möglicherweise sogar bedrohlich wird es allerdings bei der vergleichsweise geringen Finanzierungslücke von 20 Milliarden Euro. Unter dem Eindruck explodierter Energiepreise erschien es einigen als logisch, durch den massiven zusätzlichen Verkauf von Emissionszertifikaten zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, nämlich erstens, die fehlenden 20 Milliarden zu finanzieren und zweitens, die hohen Energiekosten zu senken. Doch mit der Logik ist es manchmal fatal, denn wenn bereits der Denkansatz problematisch ist, dann führt selbst die logischste Gedankenfolge zu problematischen Ergebnissen. Ein amüsantes Beispiel sind die drei Personen, welche in einem Lokal für je 10 Euro etwas verzehren und beim Kellner bezahlen. Der Inhaber schickt diesen aber wieder zurück und fordert ihn auf, 5 Euro als kleines Treuegeschenk an die drei Gäste zurückzugeben. Da sich aber 5 Euro nicht durch 3 teilen lässt und der Kellner auch kein Trinkgeld bekommen hatte, beschließt dieser, 2 Euro für sich zu behalten und jedem Gast 1 Euro zurückzuzahlen. Damit hat jeder Einzelne also statt 10 nur 9 Euro bezahlt, zusammen demnach 27 Euro. Hinzu kommen die 2 Euro des Kellners, macht 29 Euro. Die Logik mag verblüffend einfach und klar aussehen, doch das Ergebnis ist offensichtlich falsch.

Da RePowerEU und das ETS die gleichen Ziele verfolgen, wäre eine Inanspruchnahme von Einnahmen aus dem ETS absolut folgerichtig. Völlig unlogisch wäre es allerdings, zu diesem Zweck zusätzliche Emissionszertifikate auf den Markt zu werfen. In der Folge würde natürlich der Preis für EUA verfallen, wodurch die Energiekosten gesenkt würden. Man schätzt, dass CO2 an den gestiegenen Energiekosten vielleicht einen Anteil von 10 Prozent ausmachen. Wirklich effektiv ist das also nicht. Außerdem ist es noch keine ausgemachte Sache, in welchem Zeitraum welche Zusatzeinnahmen generiert werden können, wenn zwar mehr Zertifikate, diese aber zu einem niedrigeren Preis verkauft werden. Es ist zudem alles andere als sicher, ob das massive Überangebot vom Markt dauerhaft aufgenommen wird. In der Vergangenheit gab es bereits „normale“ Auktionen, die mangels Nachfrage nicht geschlossen werden konnten.

Außerdem ist es absolut nicht die Aufgabe des ETS, die Industrie bei den Energiekosten zu entlasten. Das muss durch andere Maßnahmen geschehen. Das ETS funktioniert hingegen als Cap-und-Trade System, basiert also auf der Verringerung der Zertifikatemenge. Und im Programm „Fit for 55“ geht es unter anderem darum, dieses System noch weiter zu schärfen, um die CO2 Reduktionsziele und damit das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Eine Schwemme an EUA würde dies zunichtemachen und überdies die Marktstabilitätsreserve ad absurdum führen. Es ist in jedem Fall sinnwidrig, die Ziele des ETS auch nur temporär aufzugeben, um die gleichen Ziele beim RePowerEU Programm zu finanzieren. Im Gegenteil, billige EUAs machen auch Kohle und Gas billiger und würde die Anstrengungen beim Ausstieg aus diesen Energieträgern bremsen. Die Wissenschaft hat aber gerade erst auf der Weltklimakonferenz noch einmal vehement darauf hingewiesen, dass die bisherigen Anstrengungen, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, nicht genügen. Eine Pause oder ein Zurückweichen bei den Maßnahmen wäre absolut fatal. Wenn also das ETS zur Finanzierung des RePowerEU-Programms beitragen soll, dann nur im Einklang mit den gemeinsamen Zielen, also durch höhere Preise und damit höhere Einnahmen im ETS.

In der abgelaufenen Handelswoche setzte der CO2-Markt seinen massiven Aufwärtstrend nicht mit gleicher Dynamik fort, hielt sich aber auf hohem Niveau. Am Donnerstag erreichte der Dezember-Kontrakt einen Höchststand bei 89,54 Euro, gab aber am Freitag nach und schloss bei knapp unter 88 Euro.

Die neue Handelswoche ist die letzte volle Auktionswoche in diesem Jahr mit insgesamt 9.397.000 EUA, die zur Versteigerung kommen. Am 19.12. endet dann der diesjährige Auktionskalender.

  (Durchschnittliche Börsenkurse / OTC)   
Instrument02.12.2209.12.22Veränderung
EUA (Spotmarkt)87,58 EUR87,88 EUR+0,30 EUR
EUA (Dezember-2022-Future)87,67 EUR87,97 EUR+0,30 EUR
VER (Carbon Offsets)5,33 USD4,05 USD-1,28 USD
VER (CORSIA eligible carbon credits)2,97 USD2,91 USD-0,06 USD
nEZ (nationale Emissionszertifikate (D))30,00 EUR30,00 EUR+0,00 EUR
ICE Brent Crude Oil (Benchmark Future)85,84 USD76,64 USD-9,20 USD
EURO (Currency, Forex)1,0539 USD1,0534 USD-0,0005 USD

(Die durchschnittlichen Börsenkurse und OTC-Preise zeigen das jeweilige Mittel von Angebot und Nachfrage verschiedener Handelsplätze für CO2-Emissionsrechte. Bid und Ask weichen üblicherweise mehrere Cent vom Mittelwert ab. Rohöl und Euro zeigen Börsenschlusskurse. Bei den VER-Kursen handelt es sich um Durchschnittskurse (carboncredits.com), welche im Rahmen von CORSIA und der freiwilligen Kompensation Verwendung finden können. Unsere Marktberichte stellen keine Empfehlung zum Handel von Emissionsrechten oder deren Derivaten dar und dienen ausschließlich der Information. Sollten Sie den Newsletter nicht mehr beziehen wollen, bitten wir um eine kurze Nachricht an den Absender.)

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